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Möglicher Ablauf einer Heilpädagogischen Reitstunde

 

Die erste Kontaktaufnahme zu der Reitpädagogin erfolgt meistens telefonisch, durch die Eltern. Dabei wird der Entwicklungstand des Kindes wird beschrieben und es erfolgt eine Terminvereinbarung.

Nach einem ersten Kennenlernen der Reitpädagogin und der Pferde sowie der Reitanlage wird ein weiterer Termin für die erste Therapiestunde vereinbart.

Im schriftlichen Anmeldebogen beschreiben die Eltern die Entwicklung und die Auffälligkeiten ihres Kindes. Nutürlich können hier auch die individuellen Wünsche und Ziele für das Kind formuliert werden. Es ist sehr hilfreich, wenn zusätzlich medizinische Berichte von Kinderarzt und/oder der Diagnostikstellen sowie ggf. vom Jugendamt oder Diagnostikstellen zur Verfügung gestellt werden können.

Die Reittherapie findet grundsätzlich ohne Eltern statt. Eine Begleitung der ersten ein bis zwei Therapiestunden ist jedoch möglich. Das Kind bekommt somit einen besseren Bezug zu der Reitpädagogin und wird selbst bestimmender.

Der Reittherapeutin geht mit dem Kind nach der Begrüßung das Pony holen. Jedes Pony besitzt ein eigenes Halfter, was sich farblich von den anderen unterscheidet. Dieses kann mit einem Foto und den Namen des Ponys an der Wand hängen. Die Kinder lernen schnell, wer welche Farbe hat und was für Buchstaben in dem Namen des Ponys sind.

Das Pony wird zusammen zum Putzplatz geführt.

In der Sattelkammer werden die Fotos und Namen der Ponys wiederholt und jedes Pony hat seine eigenen Sachen.

Der Reitpädagogin erklärt die Funktion und das Putzen des Ponys und begleitet das Kind beim Säubern. Hier hat das Kind die Möglichkeit selbst wirksam zu werden. Es kann zum größten Teil selbst bestimmen wie lange es welches Körperteil putzt. Einige ermüden schnell, andere sind voller Energie und vergessen, dass sie eigentlich auch noch reiten möchten.

Der Reitpädagogin versucht dieses geschickt zu lenken und gibt dem Kind Orientierung. Das Putzen verlangt von dem Kind motorisches Geschick: wie halte ich die Bürste passend, wieviel druck muss ich aufbauen um den Sand herunter zu bekommen….

Das Auskratzen der großen Hufe kostet etwas Überwindung und Mut, wobei die Reitpädagogin unterstützend zur Seite steht.

Das Pony stellt eine völlig neue Reizquelle, einen neuen Bezugsrahmen dar, in dem die Kinder nicht auf eingefahrene Verhaltensmuster zurückgreifen können, sondern neue Erfahrungen machen und damit auch neue Verhaltens- und Reaktionsweisen erproben. In diesem Moment geht es nicht offensichtlich um sie sondern um das Pony. Die Reitpädagogin kann den Kontakt über das Pony zum Kind aufbauen, ohne dass das Kind sich überfordert oder direkt angesprochen fühlt. Mögliche Hemmungen können so abgebaut oder erst gar nicht entstehen.

Anhand der Fotos und Piktogramme in der Sattelkammer, wird die Ausrüstung des Ponys geholt. Die Reitpädagogin sattelt mit Hilfe des Kindes das Pony. Gemeinsam wird es zum Reitplatz geführt.

Über eine Treppe kann das Kind aufsteigen. Es legt das Bein auf den Rücken des Ponys und zieht sich an den Griffen des Gurtes hoch. Das Kind versucht sein eigenes Gewicht mit genügend Schwung auf den Ponyrücken zu bringen. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers wird abgefragt, wie viel Kraft muss ich für meinen Körper aufbringen um genau auf die Decke zu kommen.

Die Reitpädagogin steht unterstützend an der Treppe.

Voller Stolz es geschafft zu haben, sitzt das Kind auf dem Pferd. Das Kind betrachtet seine Umgebung aus einer ganz anderen Perspektive und merkt erst einmal wie groß es geworden ist. Jedes Kind reagiert anders auf diese Situation. Mit Einverständnis des Kindes wird das Pony im Schritt geführt. Der Rücken des Ponys bewegt sich rhythmisch vor –zurück, auf und ab sowie abwechselnd rechts –links innerhalb von Sekunden.

Der Rhythmus der Bewegung ist lockernd, entspannend und löst Ängste des Reiters. Das Pony ist Vermittler zwischen dem Therapeuten und dem Kind.

Die Kinder haben keinen Einfluss auf die Bewegung und müssen diese mit ihrem Körper mitgehen. Gerade und aufrecht sitzend schiebt das Kind seine Hüfte rechts- links, hoch- runter vor- und zurück mit.

Es werden Muskelgruppen durch diesen Bewegungsablauf angesprochen, die ein Kind mit motorischen Schwierigkeiten oft blockiert oder zu schwach ausgeprägt sind. Menschen die Querschnittsgelähmt sind können diese Muskelgruppen nicht eigenständig bewegen. Für einen Ergotherapeut oder Krankengymnast ist es sehr müßig, sogar fast unmöglich, so effektiv wie auf dem Ponyrücken, diesen Bereich zu stabilisieren.

Das Kind muss in der Vorwärtsbewegung des Ponys sein Gleichgewicht halten. In den Ecken und Kurven wird der Körper nach Außen verschoben. Das Kind muss dieses erfühlen und bewusst dagegen sitzen.

Am Anfang sind die Kinder mit den ganzen Umweltreizen und Einflüssen so beschäftigt, dass sie zur Seite rutschen und dann an das aufrechte gerade sitzen erinnert werden müssen. Es können aber auch Situationen herbeigeführt werden, in denen solche Bewegungsreize bewusst provoziert werden, um z.B. die Konzentration und Aufmerksamkeit des Kindes wieder auf das Pony zu richten.

Solche Verhaltenskorrekturen finden unmittelbar durch das Pony statt, d.h. das Kind erfährt jeweils direkte Verstärkung durch die Reaktion des Ponys. Die Reitpädagogin dient als Vermittler zwischen Pony und Kind und wird als Sachautorität akzeptiert, steht aber nicht im Mittelpunkt des pädagogischen Prozesses (Beziehungsdreieck Kind - Pony - Reitpädagogin).

Ein Kind mit Sprachhemmungen oder geringen, fehlerhaften Wortschatz wird durch so viel verschiedene Einflüsse automatisch anfangen etwas zu erzählen. Es wird neugierig werden und die natürliche Wissbegierde drängt zum Vorschein. Wenn das Kind Hemmungen hat mit der Reittherapeutin zu sprechen, so wird es sich schnell mit dem Pony anfreunden und unterhalten. Kinder merken sehr schnell, dass Tiere wertfrei sind und jeden so akzeptieren wie er ist, egal wie er aussieht oder wie gut er sprechen kann. Ponys sind gute Zuhörer und die Kinder haben das Gefühl gehört zu werden.

Durch den Gesichtsausdruck oder Äußerungen, meinen einige Kinder die Gefühle des Ponys zu deuten. Oft sind es aber die Gefühle, die das Kind gerade selbst hat oder Probleme die es aktuell belasten (Probleme in der Schule, Stress mit den Eltern/ Scheidung). Nun hat der Reittherapeut die Möglichkeit sich gekonnt mit einzubringen.

Je öfter die Kinder auf dem Pony geritten sind, desto sicherer werden sie. Die Kinder können den Bewegungsablauf des Ponys und ihren Körper besser einschätzen.

In methodischer Hinsicht bestehen viele Variationsmöglichkeiten der Übungen mit, an und auf dem Pferd, leichtere und schwierigere.

Die meist geringe Bewegungserfahrung motorisch eingeschränkter Kinder kann in spielerischer Art und Weise aufgearbeitet werden.

Dabei ergeben sich vielfältige Bewegungsmöglichkeiten, die genutzt werden können.

In jeder Therapiestunde werden neue Ziele gesetzt. Der Motivations- und Aktivierungsgrad ist sehr hoch: Umgang mit einem als "groß, stark und schnell" bewerteten Wesen, viele emotional positiv besetzte Anreize, ein hohes Maß an Wirklichkeitsqualität und Erlebnisintensität ("Abenteuer").

Es gibt viele Möglichkeiten, Ängste zu überwinden, Erfolge zu erleben und Selbstvertrauen aufzubauen. Die Kinder haben auch die Möglichkeit die Ponys zu führen. Insbesondere das "Beherrschen" des großen Tieres vermittelt Selbstwertgefühl.

Spaziergänge bieten die Möglichkeit des regen Austausches. Die Kinder werden zum Sprechen angeregt und erweitern ihren Wortschatz. Mittlerweile gehen viele Familien nicht mehr mit ihren Kindern in die Natur. Der Medienkonsum hat sich drastisch erhöht.

Eine Therapiestunde kann so vielfältig gestaltet werden, dass es nicht uninteressant wird. Das Kind empfindet das heilpädagogische Reiten nicht als Therapie, da der Mitbestimmungsfaktor sehr hoch und das allgemeine Umfeld sehr ansprechend und abwechslungsreich ist.

Die Kinder dürfen nach der Therapiestunde das Pony füttern und es zurück in den Stall bringen. Durch das Füttern haben die Kinder die Möglichkeit sich bei dem Pony für das Reiten zu bedanken. Das Füttern kostet Überwindung, auch hier kann das Selbstbewusstsein des Kindes gestärkt werde, der Reitpädagoge gibt dem Kind, wenn nötige ausreichend Hilfestellung.

In einer Therapieeinheit besteht auch die Möglichkeit die anderen Tiere am Hof mit zu versorgen. Im Hühnerstall dürfen die Eier aus dem Nest geholt werden und gegebenenfalls muss das Nest erneuert werden. Da die Hühner gerne auch mal ihre Eier nicht in das Nest legen, müssen die Kinder die geheimen Verstecke der Hühner finden. Die Kinder können kontrollieren, ob noch genug Wasser und Futter für die Hühner da ist.

Bei einem geführten Ausritt mit dem Pony, kann das Füttern der Schafe beim Nachbarn mit übernommen werden. Dazu benötigen wir ausreichend Futter, was der Reitpädagoge mit dem Kind zusammenstellt und auf dem Pony gut verpackt transportiert. Bei den Schafen angekommen muss das Kind absitzen und darf die Schafe füttern. Durch solche verschiedenen Aktivitäten kann ein besserer Beziehungsaufbau zur Reitpädagogin stattfinden. Dieses sind einfache Dinge, die keine große Aktivität und Anforderungen des Kindes verlangen.

 

 

 

 

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